Künstlerin Diana Ezerex

Wenn das Gefängnis zur Bühne wird

Singer-Songwriterin Diana Ezerex berichtet über ihre Gefängniskonzerte

Gefängniskonzerte - eine Bühne hinter Gittern

Singer-Songwriterin Diana Ezerex berichtet, was sie motiviert, im Gefängnis zu spielen

- Annika - 10.10.2020 -


Eine Stimme, kräftig und sensibel - eine Stimme, die Herz und Seele berührt - eine Stimme, die etwas zu sagen hat! Hier spricht Diana Ezerex darüber, warum sie neben Wohnzimmerkonzerten auch Auftritte in Gefängnissen spielt und was ihr neues Album damit zu tun hat.


Keine gewöhnliche Musikerkarriere

Ich treffe Diana Ezerex in einem Cafe. Um uns herum Geschirrgeklapper und Hintergrundgeräusche, doch schon mit den ersten Sätzen fesselt sie mich: Sie berichtet von ihrem Werdegang und ich lausche ganz gespannt.
Diana hat Bildungswissenschaften studiert. Lehramt ist nicht ihr Ziel, aber sie mag die Zielgruppe. Jugendliche, die in Jugendclubs gehen. Darüber hinaus interessiert sie sich für Pädagogik und natürlich für die Musik.

Die Kombination zwischen ihrem sozialen Anspruch und ihrem Wunsch, einen Unterschied zu machen, führte sie ins Gefängnis – aber nicht so, wie ihr vielleicht denkt! 😉 Dinge, die sonst kaum Jemand macht sind genau ihr Ding. Wie zum Beispiel Konzerte an besonderen Orten geben. In ihrem Fall ist es eben ein Gefängnis!


Ihr Weg ins Gefängnis – zum Konzert

Während ich sie frage, wie sie denn in die Gefäng­nisse kommt, merkt man, wie die Erlebnisse sie begeistern und es förmlich aus ihr heraus sprudelt.
Sie ist aktiv auf die Gefäng­nisse zugegangen. „Manchmal ist es wie in der Schule, man braucht da schon eine gewisse Penetranz . Wenn man etwas machen möchte und da niemand vor Ort ist, der das Ganze auch unterstützt und in die Hand nimmt, gestaltet sich das Anliegen oft schwer.“ Aber sie hat es geschafft!

Diana Ezerex in der JVA (c) Diana Ezerex

Wenn alle Überzeugungs­kraft erfolgreich war, steht nur noch der Backround-Check (Führungs­zeugnis etc.) zwischen ihrem Auftritt. Am Gefängnis angekommen geht es dann durch die Schleuse zum Koffer­raumcheck (ob Jemand da drin ist 😊). Auch Wert­sachen müssen draußen bleiben. Dann wird sie auch schon hineingeführt. Mit Glück gibt es sogar noch eine kleine Führung und die Aufregung steigt. „Über die Führungen freue ich mich immer sehr. Doch am beeindruckendsten sind eigentlich immer wieder die riesigen Schlüssel­bunde der Beamten .“ Diana lacht.

Begegnungen auf Augenhöhe - trotz gelegentlicher Angst

Die Auftritte finden meistens in Mehrzweck­räumen oder der Kirche statt. Diana spielt dort alleine, ohne Band. „Ich möchte möglichst wenig Hindernisse schaffen . Im Vergleich zu den Insassen ist mein Leben schon ein WONDERLAND. Da braucht es nicht noch eine ganze Front von Außen­stehenden, die vor ihnen stehen.“

Diana, eine junge, smypathische Singer-Songwriterin, tritt auf im Jugend­straf­vollzug, in der Unter­suchungs­haft, in Frauen- und Männer­gefängnissen - sie hat alles schon bespielt. Ich frage sie, ob sie dabei auch manchmal Angst hat .

„Im Jugend­straf­vollzug ist man oft besorgt, weil die Jugendlichen die Art von Musik, die ich mache, gar nicht hören“ , erzählt Diana. Dass der klassische Deutsch-Rap dort populärer ist, ist ihr durchaus bewusst. Und trotzdem bleibt sie hartnäckig. Der Gedanke, dort völlig fehl am Platz zu sein, ängstigt sie schon, erzählt sie. „Aber wenn ich dann mit meiner Akustik-Gitarre unter anderem auch Songs zum Mitsingen performe, singen alle Jugend­lichen mit . Das ist ein unglaubliches Erlebnis!“

2017 war Diana das erste Mal in einem richtigen Männergefängnis. „ Auch da hatte ich echt Angst vor dem Besuch. Aber ein paar Wochen später bekam ich plötzlich Post aus der JVA Bayreuth .“ Diana hatte einen Brief von einem Insassen bekommen! „Das war echt überwältigend und war total gerührt. So ein tolles Feedback hand­geschrieben auf Papier in den Händen zu halten, war wirklich unfassbar schön!“

(c) Diana Ezerex

Spannend, traurig und faszinierend - Geschichten aus dem Gefängnisalltag

Am spannendsten für Diana ist der Austausch mit den Insassen und die Geschichten die sie hört sind spannend, traurig und faszinierend zugleich. Je nachdem wie streng das Gefängnis organisiert ist, gibt es sogar mal die ein oder andere Möglichkeit hierfür, erzählt Diana. Meistens ist das aber leider nur sehr kurz und dann muss sie schon wieder gehen. „Aber in der Sozialtherapeutischen Anstalt in Kassel habe ich sogar mal einen Bandworkshop geben dürfen und dann mit den Insassen, die in der Band waren, zusammen etwas gegessen. Auch von der hauseigenen Gefängniszeitung wurde ich dann noch interviewt“ , erzählt Diana begeistert.

(c) JVA Bayreuth

Dass die Emotionen in der Untersuchungshaft noch viel intensiver zu sein scheinen, vermutet Diana, liegt daran, dass da noch viele aufgestaute Emotionen in der Luft liegen. Vor allem Emotionen über ihre ungewisse Zukunft, die die Insassen dann freien Lauf lassen und zum Mitsingen, Tanzen und zum Weinen bringen. „Noch nie zuvor habe ich so viele Menschen im Publikum weinen gesehen und im Gegensatz dazu bei einem anderen Mal totale Euphorie erlebt – Partystimmung pur !“

Eine Geschichte aus dem Jugendgefängnis bleibt Diana ganz besonders in Erinnerung.

„Einmal war dort ein Junge, er sah komplett anders aus als alle anderen – blond, mit Harry Potter-Brille. Er saß da wie eine Statue – mittendrin in der Menge - und hat kaum Emotionen gezeigt. Alle anderen waren homogen, dunkelhaarig, haben ihre Jokes gemacht und sind mit der Musik mitgegangen. Er aber fiel einfach auf, wie er aus der Menge hervorstach.
Nach dem Konzert kam er zu uns. Er hatte gewartet, bis alle anderen gegangen sind und sagte: Hey, das war das erste Mal seit langem, dass ich wieder Freude gespürt habe. Das war der Moment, an dem ich dachte, jetzt hab etwas erreicht! Das sind die Momente, für die ich das alles tue. Um die Welt zu verändern. Freude und Wertschätzung zu teilen und besondere Momente zu schaffen."

Was das Gefängnis fürs neue Album bedeutet

Aktuell ist Diana als Künstlerin in Hamburg aktiv , wo sie den Popkurs besucht hat und auch parallel an einem Album arbeitet. Es soll ein Konzept-Album werden. Jeder Song hat ein Thema, was mit dem Gefängnis zu tun hat - Geschichten der Insassen, über deren Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunftsvisionen.

„Ein Song ist auch schon fertig!“ erzählt Diana stolz. Entstanden ist der Song während der Anfangs-Corona-Zeit , als noch unklar war, ob der Popkurs weiter stattfinden kann. Umgeben von lauter selbständigen Musikern , denen immer mehr Gigs abgesagt oder verschoben wurden, schien alles um die Live-Musikbranche zusammen zu fallen . Aber Diana wollte sich nicht davon nicht stoppen lassen.

„Wir sind Kreative und Menschen mit Überlebensdrang!“ Als sie versuchte, das Beste aus der Situation heraus zu holen, fiel ihr auf, dass der Song genausoviel mit dem Gefängnis wie mit der allgemeinen Verunsicherung zu tun hat, von der aktuell so viele betroffen waren. Denn es geht um Hoffnung ! Der Song heißt „I don't stop“ :

„Ich hör nicht auf, wenn alles um mich herum zusammenfällt, selbst wenn ich in das Umfeld, aus dem ich komme, nicht mehr zurückkann. Ich bin jetzt aus dem Gefängnis draußen, ich werde mir 'was Neues suchen und nicht in alte Muster fallen."

Starke Message ohne erhobenen Zeigefinger

Im Gesprächs mit Diana merkt man, wie wichtig ihr es ist, mit dem Album weder irgendwelche Taten zu verurteilen noch zu beschönigen . Ganz im Gegenteil, sie möchte darauf hinweisen, dass wir nachhaltig Dinge dagegen tun können, dass Menschen überhaupt ins Gefängnis kommen. „Ich finde es wichtig, dass die Leute verstehen, dass wir alle etwas dagegen tun können – in der Art und Weise wie wir miteinander reden oder miteinander umgehen“ , klärt Diana auf. „Ich habe auch einen Song geschrieben, der genau das ausdrückt: Be kind . „Sei freundlich, selbst wenn es niemand zu sehen scheint, sei freundlich, selbst wenn es unfair scheint…“ , singt sie darin.

Während Diana singt, erinnert sie sich selbst an ihre eigenen Überzeugungen. „Ich muss mir auch selbst ab und an an die eigene Nase fassen , wenn ich mich ertappe.“ Die Message ihrer Lieder kommt an und erinnert uns, dass wir unser Glück im Umgang miteinander auch ein Stück selbst in der Hand haben.

Ich wünsche Diana viel Erfolg, die Welt mit Ihren Liedern zu einem besseren Ort zu gestalten! Für mich und viele Andere, die sie erlebt haben, ist sie damit schon jetzt zu einem schöneren Ort geworden. 😊


Erlebe Diana live bei einem Sofakonzert

Hast Du Lust bekommen, Diana zu einem Sofakonzert einzuladen ? Ich kann sie dir sowohl musikalisch als auch menschlich nur empfehlen! Bestimmt ist sie auch mal in Deiner Gegend unterwegs. Du kannst ihr einfach eine unverbindliche Einladung schicken und mit etwas Glück kannst Du sie und ihre Musik bei Deinem eigenen Sofakonzert bald persönlich kennenlernen. Ich kann Dir sagen: Es lohnt sich!



Diese Artikel könnten Dich auch interessieren

Tipps & Tricks Tipps und Tricks für ein gelungenes Wohnzimmerkonzert
  • Kein Gedrängel, keine überteuerten Getränke und ein Platz in der ersten Reihe ist Dir sicher: Bei einem Wohnzimmerkonzert kannst Du Live-Musik hautnah erleben.

Weiterlesen

Gemeinsame Konzerterlebnisse trotz Corona - so geht's
  • Abstand ist an- und Großveranstaltungen sind abgesagt. Was Du beachten musst, um trotz Vorsichtsmaßnahmen Live-Musik erleben zu können, erfährst Du hier!

Weiterlesen

Leben im Van: Ein Interview mit Mow Liebig
  • Ein Neuanfang auf vier Rädern? Klingt spannend! Mow Liebig spricht mit uns über seinen Neuanfang und seine 3 Tipps, wie jede*r seinen eigenen Weg findet.

Weiterlesen